„Die Menschen sind immer sehr dankbar und froh, dass es uns vor Ort gibt. Das ist wirklich schön.“

Die „kleinen“ Stadtrandwehren leisten Großes. Clara Suchland, Feuerwehrfrau der FF Rauchfangswerder, spricht über die Feuerwehr als zweite Familie, die Lebensnotwendigkeit der Erstversorgung am Stadtrand und die Dankbarkeit der Geretteten. Und darüber, wie sich der Blick auf Alltagsprobleme durch das Einsatzgeschehen verändert.

Name
Clara Suchland

Alter
19

Dienstgrad
Feuerwehrfrau

Wache
FF Rauchfangswerder

Beruf / Ausbildung
Freiwilliges Soziales Jahr im Sanitätsdienst, Abitur 2018

Clara, du beschreibst die Freiwillige Feuerwehr als deine zweite Familie. Erzähl doch mal, was du damit meinst.

Weil wir eine sehr kleine Wache am Stadtrand sind und jede Familie irgendetwas mit der Feuerwehr zu tun hat, ist man dadurch verbunden. So bin ich dann auch zur Freiwilligen Feuerwehr gekommen, weil mein Papa auch bei der FF war und immer noch ist. In unserer Wache sind viele Nachbarn und Freunde, Kameraden aus der Grundschule und teilweise auch aus der Oberschule. So sehen wir uns eben nicht nur bei der Feuerwehr, sondern auch beispielsweise bei dem Geburtstag von Nachbar X oder der Jugendweihe von Nachbar Y. Das verbindet uns zu einem tollen Team, in dem man sich auch privat sehr gut versteht.

Wenn man sich auch privat sehr gut versteht, verbringt man doch bestimmt sehr gerne besonders viel Zeit bei der FF?

Genau. Einmal in der Woche haben wir einen Übungsabend, bei dem wir uns im Schnitt drei, vier Stunden maximal treffen. Zum einen machen wir dann ein paar Übungen, vor allem die, die wir zu dem Zeitpunkt schon lange nicht mehr gemacht haben. Zum anderen gucken wir aber auch, was beim letzten Einsatz aufgefallen ist, was nicht ganz so gut lief, um das eben auch noch einmal zu üben. 

Abgesehen davon haben wir auch einmal im Monat „Pflege, Fahrzeug und Geräte“. Dabei wird jedes Auto einmal komplett mit Checkliste durchgecheckt. Wir prüfen da die Gültigkeit vom TÜV, den Füllstand der Sauerstoffflaschen, ob grundsätzlich irgendwo etwas auf dem Fahrzeug fehlt oder beschädigt ist und dokumentieren alles später oder tauschen ggf. Dinge aus, um voll funktionsfähige Fahrzeuge auf der Wache stehen zu haben.

„In unserer Wache sind viele Nachbarn und Freunde, Kameraden aus der Grundschule und teilweise auch aus der Oberschule. Wir sind ein tolles Team, in dem man sich auch privat sehr gut versteht.“

Du bist bist auch als Rettungshelferin tätig, ist das der Grund warum du Medizin studieren willst?

Es ist eher andersherum. Ich will Medizin studieren und dachte mir, dass eine Ausbildung als Rettungshelferin vorbereitend sehr gut ist. Zudem ist diese Ausbildung essenziell, um später auf der Karriereleiter, bzw. in den Rängen, die man auf den Schultern sieht, weiter nach oben zu klettern. Rettungshelfer braucht man, um bei uns den “First Responder” zu besetzen. Das ist ein kleiner PKW, der zuerst auf einen Notruf antwortet, also auch der Erste vor Ort ist und auch hoffentlich vor dem Rettungswagen dort ist, um die Erstversorgung durchzuführen. Das Fahrzeug ist bei unserer kleinen Stadtrandwache sehr wichtig, da es aufgrund der Entfernung zur Stadt manchmal etwas dauern kann, bis der RTW am Einsatzort eintrifft. Da kann ein First-Responder-Fahrzeug sehr hilfreich sein, denn in einer lebensbedrohlichen Situation zählt jede Minute. Man weiß oft auch nicht, ob die Leute, die den Notruf abgesetzt haben, in der Lage sind, eine Wiederbelebung oder ähnliches vernünftig durchzuführen. Daher finde ich, dass das ein sehr wichtiges und gutes Konzept ist, was auch an den meisten Wehren der Freiwilligen Feuerwehr durchgeführt wird.

Du bist auch in der technischen Hilfeleistung tätig, wie auch bei den letzten schweren Unwettern in Berlin …

Die technische Hilfe ist ein Bereich, den auch die Feuerwehr mit abdeckt und dazu gehören unter anderem Autounfälle, bei denen man mal ein Auto aufschneiden muss, um Menschen zu bergen oder natürlich auch die Unwetter. Dort gibt es Schäden, wie überschwemmte Keller, die wir nach einem starken Regen auspumpen oder umgestürzte Bäume, die wir von der Straße bewegen oder von Dächern entfernen. 

Es kann natürlich auch passieren, dass wir bei besonders starken Unwettern den Ausnahmezustand ausrufen. In diesem Fall bekommt die gesamte Wache den Befehl „Wachbesetzung“, was bedeutet, dass wir uns wirklich alle auf der Wache einfinden und dann warten, bis wir alarmiert werden. Wenn es dann innerhalb des Ausnahmezustands zum Alarm kommt, kann es vorkommen, dass wir nicht nur unseren Bereich abdecken, sondern in den gesamten Stadtbereich gezogen werden. Sobald dann ein Einsatz abgeschlossen ist, sieht das die Leitstelle und leitet uns direkt zum nächsten Einsatz weiter.

Gerade bei starken Unwettern ist die Warteschlange der Rufnummer 112 ziemlich lang, weil jeder sagt „Mein Keller ist voll!“. Da kann es auch schon mal zu längeren Wartezeiten kommen, bis wir eintreffen, da ein überfluteter Keller nicht so dringend ist, wie ein brennendes Haus. Die Leitstelle priorisiert in solchen Fällen die Einsätze stark nach den Gegebenheiten. Einsätze, bei denen Menschen in Gefahr sind, werden als Erstes angefahren und die Keller später nach und nach abgearbeitet, weil es eben sein kann, dass fast alle Fahrzeuge im Einsatz sind. 

So eine Priorisierung ist dann tatsächlich sehr wichtig. Wie ist denn allgemein das Feedback der Leute vor Ort?

Bei uns ist es wirklich sehr klein, sodass jeder irgendwie jeden kennt oder zumindest schon einmal gesehen hat. Gerade auch unsere älteren Kameraden kennen teilweise noch die älteren Bewohner. Wenn man dann wirklich mal einen Einsatz hatte, wo man mehr zu tun hatte oder unter Umständen das Haus retten musste, kommen öfter mal die betroffenen Leute zwei, drei Tage später mit einer Kiste Schokolade vorbei und bedanken sich. Darüber freut man sich natürlich. Die Menschen sind immer sehr dankbar und froh, dass es uns dort vor Ort gibt. Das ist wirklich schön.

Zusätzlich zum angestrebten Medizinstudium möchtest du noch deinen Maschinisten-Schein machen.

Genau, damit ich auch mal die großen Autos fahren und an der Pumpe stehen kann. Aber das kommt mit der Zeit, jetzt möchte ich erstmal Erfahrung sammeln – und wenn ich etwas älter bin, habe ich das als Ziel.

Und wird das klappen, so neben dem Studium?

Ja, das sollte klappen. Die Ausbildungen sind meistens wie eine Abendschule. Die Leute bei der Freiwilligen Feuerwehr wissen ja, dass wir und auch die Ausbilder meistens noch andere Berufe haben. Das ist auch schon anstrengend, da die Grundausbildung beispielsweise über elf Wochen, an vier Tagen in der Woche von 18 bis 21 Uhr geht und dann am Wochenende noch einmal acht Stunden von ca. 8 bis 16 Uhr. Da hatte ich Glück, dass es bei mir nach der Abiturphase war und ich da die ganze Zeit abends Zeit hatte. Das ist für die Leute in der Uni schon anstrengender, aber man hat es ja nach elf Wochen auch geschafft, das hält ja nicht für immer an.

„Es sind die Momente, in denen man merkt, dass man was Gutes getan hat und Leuten helfen konnte. Dieses Gefühl beruhigt einen auch im Hinblick auf die Dinge, die vielleicht nicht so gut laufen bei einem selbst.“

Würdest du sagen, die FF ist ein Ausgleich für dich?

Ja, es ist wirklich ein guter Ausgleich und ich finde auch, dass ich meinen Kopf super frei bekomme. Denn durch das ganze Adrenalin, das man bekommt, wenn wir zum Einsatz fahren, denkt man nicht mehr so an Schule oder andere Probleme, die man vielleicht hat. Man konzentriert sich wirklich auf den Einsatz und ist zu 100 Prozent bei der Sache. Man unterhält sich vielleicht auf der Rückfahrt dann darüber, wie die Woche war oder was die Kameraden sonst so gemacht haben, wenn man sie vielleicht eine Woche nicht gesehen hat.

So ein Einsatz rückt dann sicherlich auch alles andere in den Hintergrund und im Vergleich schrumpfen dann die eigenen kleinen Problemchen zusammen, oder?

Es kann halt schon sein, dass man zu Hause irgendetwas versemmelt hat und dann zum Einsatz fährt, um zu helfen. Und dann merkt man, dass die Leute auch wirklich dankbar sind. Das sind die Momente, in denen man merkt, dass man was Gutes getan hat und den Leuten helfen konnte. Und dieses Gefühl beruhigt einen dann auch im Hinblick auf die Dinge, die vielleicht nicht so gut laufen bei einem selbst. Ich möchte auch wenn ich später außerhalb von Berlin studiere zur Freiwilligen Feuerwehr gehen – abhängig davon, wie weit das weg ist und wie die Situation dann auf der Wache ist. Ich denke, das ist  eine gute Sache, die man machen kann und die Freiwilligen Feuerwehren brauchen eigentlich immer Nachwuchs.

Deine Geschichte

Du hast einen spannenden Werdegang bei der Freiwilligen Feuerwehr Berlin hinter dir oder vielleicht gerade erst bei uns angefangen und möchtest uns deine Geschichte erzählen? Dann reiche jetzt deine Story mit spannenden Fotos bei uns ein!

Jetzt deine Geschichte einreichen

Weitere Geschichten