„Wir sind ein Team, das aus vielen Individuen besteht – diese Vielfalt macht unsere Gemeinschaft extrem stark.“

Die Freiwillige Feuerwehr als Karriereleiter: Lukas Janisch, Feuerwehrmann aus Pankow, spricht über sein Engagement als Jugendsprecher auf Landes- und Bundesebene, was er dabei über seine eigenen Stärken gelernt hat – und wie es ihm heute hilft, mit nur dreiundzwanzig Jahren zwölf Menschen in zwei Teams zu führen. Ein Gespräch über Werte wie Vielfalt, Mitbestimmung, Verantwortung und Zivilcourage, über den Zusammenhang von Führungskraft und Empathie – und darüber, wie es sich anfühlt, im Jet des Bundespräsidenten mitzufliegen.

Name
Lukas Janisch

Alter
23

Dienstgrad
Feuerwehrmann

Wache
FF Pankow

Beruf / Ausbildung
Teamleiter bei einem großen Industrieunternehmen

Lukas, du hast dich bei der Freiwilligen Feuerwehr lange im jugendpolitischen Bereich engagiert. Wie bist du zur Feuerwehr gekommen? Wie genau sah deine Tätigkeit aus? Was konntest du erreichen?

Ich bin mit 11 Jahren zur Jugendfeuerwehr gekommen. Seit dem Kindergartenalter haben mich Feuerwehr, rote Autos, Blaulicht und die dazugehörige Technik begeistert – und meine Eltern waren eigentlich immer ein bisschen dagegen. Gerade meine Mutter dachte, es sei zu gefährlich. Dann gab es von der Schule aus einen Sanitätsdienst, bei dem ich mitmachen wollte. Wenn schon nicht richtiger Feuerwehrmann, dann wollte ich doch wenigstens Sanitäter werden. Die Ausbildung fand jedoch außerhalb von Berlin, in Brandenburg, statt – und als meine Eltern gesehen haben, wo ich dann immer hinfahren müsste, haben sie schnell gesagt: Dann geh doch lieber zur Feuerwehr. Ich habe dort angefangen und hatte schon nach kurzer Zeit Kontakt zum Jugendforum, einer Institution von jugendlichen Vertretern und Vertreterinnen der einzelnen Jugendfeuerwehren in Berlin. Die Mitglieder treffen sich in regelmäßigen Abständen – also zwei- bis dreimal im Jahr – und diskutieren über aktuelle Themen der Berliner Jugendfeuerwehr. Und darüber, welche Verbesserungspotenziale sie sehen. Der Themenfokus lag dabei nicht auf der feuerwehrtechnischen Seite, sondern vielmehr auf Themen wie Vielfalt und Mitbestimmung, Werte in der Jugendfeuerwehr, dem Umgang mit Alkohol in der Jugendverbandsarbeit sowie auf jugendpolitischen Themen wie beispielsweise der Organisation und Durchführung der U18-Wahlen.

Wie ging es mit Deiner Tätigkeit dort weiter?

Bereits bei meiner zweiten Teilnahme am Jugendforum wurde ich zum Landesjugendsprecher gewählt, also letztlich der Vertreter der Jugendlichen der Berliner Jugendfeuerwehren, der Mitglied im Vorstand ist – und darüber hinaus auch auf Bundesebene die Meinung der Berliner Jugendfeuerwehr gegenüber den anderen Bundesländern vertritt. Diese Tätigkeit hat mir allerdings so große Freude bereitet, dass ich nach einem Jahr im Amt und der Teilnahme auf Bundesebene festgestellt habe, dass ich mich noch stärker engagieren möchte. Folglich habe mich zum Bundesjugendsprecher wählen lassen. Dieses Amt habe ich über eine Zeit von sechs Jahren bekleidet, also drei Amtszeiten lang. Mit 21 habe ich gesagt: jetzt ist Schluss, weil ich einfach kein Jugendlicher mehr war. Es fällt einem tatsächlich auch immer schwerer, sich mit den Themen zu identifizieren und die Meinung der Jugendlichen zu vertreten.

„Ich glaube, das Wichtigste, was die Jugendlichen bei der Jugendfeuerwehr vermittelt bekommen, ist ein anderes Werteverständnis.“

Was können insbesondere junge Leute bei der Jugendfeuerwehr lernen bzw. welche Werte spielen da eine zentrale Rolle?

Es gibt zwei Kernthemen bei der Jugendfeuerwehr: das eine ist die Vorbereitung auf die Einsatzdienste – die klassische Feuerwehrtätigkeit, wie man sie aus Fernsehserien oder den Nachrichten kennt. Die Jugendlichen werden im Kindesalter spielerisch an die Technik herangeführt und lernen bereits im jugendlichen Alter Verantwortung zu übernehmen, sich mit erster Hilfe zu beschäftigen, Handgriffe zu üben, den Umgang mit den Geräten zu trainieren, um dann später einen besseren und schnelleren Einstieg in den Einsatzdienst zu finden, wenn man in die Freiwillige Feuerwehr übertritt. Das ist vom Wording her das Hauptthema. Aber es gibt natürlich auch noch einen zweiten Bereich: Das sind Themen wie Jugendverbandsarbeit, das Miteinander und auch teilweise Jugendpolitik. Ich glaube, das Wichtigste, was die Jugendlichen bei der Jugendfeuerwehr vermittelt bekommen, ist ein anderes Werteverständnis. Das ist auch eine Schwerpunktaufgabe, wenn man dort als Ausbilder tätig ist: Dass man das Miteinander fördert, dass man lernt, im Team zu arbeiten, dass man lernt, Verantwortung zu übernehmen, dass man Hilfsbereitschaft mitbringt. Und dazu das wichtige Thema Zivilcourage: Wie viele Leute nehmen heute, wenn ein Unfall passiert, erstmal das Handy in die Hand und filmen – und wie viele Leute gibt es, die dann tatsächlich anhalten und versuchen zu helfen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt – nicht nur, wenn irgendwo ein medizinischer Notfall vorliegt, sondern auch, wenn jemand anderes angegriffen wird.

Eine sehr schöne Erfahrung mache ich immer wieder: Wenn Jugendliche die Gelegenheit haben, mit Kindern mit Handicap zusammenzuarbeiten, bauen sie etwaige Berührungsängste enorm schnell ab. Generell ist Diversität eine unserer Stärken. Egal, woher jemand kommt oder welche sexuelle Orientierung oder Hautfarbe jemand hat, letztendlich sind wir ein Team, das aus vielen Individuen besteht – und gerade diese Vielfalt macht unsere Gemeinschaft extrem stark. Die Jugendfeuerwehr ist definitiv mehr ist als ein Hobby – letztendlich sind die Freunde und die Kontakte, die man dort knüpft, wie eine Art zweite Familie. Man hat einfach eine sichere Basis, auf die man sich zurückziehen kann.

„Viele haben mich gefragt, wie ich in so jungen Jahren überhaupt Leute führen kann. Meine Erfahrungen, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Jugendsprecher auf Landes- und Bundesebene sammeln konnte, haben mir dabei sehr geholfen.“

Du bist beruflich auch Teamleiter. Hat dir die Erfahrung dort auch weitergeholfen und dich befähigt, eine solche Aufgabe auch beruflich zu übernehmen?

Ja, genau. Ich bin mit 23 noch relativ jung. Da ich ursprünglich zur Berufsfeuerwehr wollte, habe ich in Magdeburg Sicherheit und Gefahrenabwehr studiert – das gibt es so in der Form auch nur einmal in Deutschland – und das Ziel war immer die Feuerwehr. Im ersten Semester hatte ich Kontakt zu einem großen Industrieunternehmen und war dort als Werkstudent tätig, habe mich über die Jahre weiterentwickelt. Nach meinem Masterabschluss bin ich dort geblieben, und wurde mit zweiundzwanzig mit einer Führungsposition für zwölf Mitarbeiter in zwei verschiedenen Teams betraut. Viele haben mich gefragt, wie ich in so jungen Jahren überhaupt Leute führen kann. Meine Erfahrungen, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Jugendsprecher auf Landes- und Bundesebene sammeln konnte, haben mir dabei sehr geholfen: mit fünfzehn auf Bundesebene tätig zu sein, viel Reisetätigkeit wahrzunehmen, 16 Bundesländer zu koordinieren: Man lernt einfach, dass man nicht alles alleine leisten kann. Auch dort ist man als Team stark und muss Aufgaben koordinieren, man sitzt mit 15 in einem Vorstand, wo viele drei- bis viermal älter sind als man selbst, diskutiert mit und trifft wesentliche Entscheidungen gemeinsam, die in Deutschland letztendlich für 250.000 Jugendliche gelten. Man wächst an den Erlebnissen: Vor vielen Leuten oder zum Beispiel vor dem Bundespräsidenten eine Rede zu halten – das gibt einem natürlich Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein und baut Hemmungen ab, auch irgendwo die Stimme zu erheben. Die Werte, die mir die Jugendfeuerwehr vermittelt hat, Selbstständigkeit, Selbstvertrauen und natürlich auch eine gewisse Rhetorik – helfen mir dabei, in einem großen Unternehmen eine solche Position auszufüllen. Gerade weil der Umgang mit den Menschen einen lehrt, dass Zusammenarbeit – auch wenn es um Führungskraft und Mitarbeiter geht – letztlich von Empathie geprägt ist: Sich in den Menschen und seine Situation hineinzuversetzen, zu erkennen, wie tickt der oder die gerade, wie muss ich damit umgehen. Auch in meinem Team sind die Mitarbeiter von der Altersstruktur und natürlich auch der Persönlichkeit her sehr unterschiedlich – auch im Umgang damit haben mir meine Erfahrungen sehr geholfen.

„Zwei Tage lang habe ich einen Vorbereitungsworkshop besucht – und dann stand ich vor dem Bundespräsidenten und musste meinen Standpunkt vertreten – und dreitausend Leute hörten zu.“

Gibt es noch ein besonderes Erlebnis, von dem Du berichten kannst?

Als Christian Wulff noch Bundespräsident war, habe ich als Vertreter der Jugendfeuerwehr den Kinder- und Jugendtag in Stuttgart besucht. Das Highlight war die Teilnahme an einer Podiumsdiskussion mit dem Bundespräsidenten und 15 Jugendlichen aus unterschiedlichen Jugendverbänden, die erklären sollten, in welchen Bereichen der Jugendverbandsarbeit sie von der Politik noch mehr Unterstützung erwarten. Ich war fünfzehn, natürlich sehr jung und gar nicht geübt im Umgang mit solchen Situationen. Zwei Tage lang habe ich einen Vorbereitungsworkshop besucht – und dann stand ich vor dem Bundespräsidenten und musste meinen Standpunkt vertreten – und dreitausend Leute hörten zu. Nach der Diskussion fragte Christian Wulff, wer von den Teilnehmern aus Berlin kommt. Ich habe mich gemeldet. Darauf sagte er: Du hast jetzt zehn Minuten Zeit, kannst Deine Sachen aus dem Hotel holen – und dann bist Du wieder hier. Als ich wieder dort ankam, wurde ich in eine schwarze Limousine mit Blaulicht auf dem Dach gesetzt. Wir fuhren erst zu einem Sperrgelände auf dem militärischen Teil des Flughafens, dann zum Regierungsflieger und stiegen aus. Dann sagte Christian Wulff: Jetzt geht’s nach Berlin. Bei Kaffee und Kuchen konnten wir uns noch ein bisschen unterhalten – und 45 Minuten später sind wir in Tegel gelandet.

Mit dem Bundespräsidenten zusammen?

Genau. Jeder Bundespräsident verfolgt ja seine speziellen Themen. Christian Wulff hatte sich vorgenommen, Kinder und Jugendliche gezielt zu fördern – und genau dafür war es einfach eine schöne Geste. Ich kann es gar nicht anders sagen. Solche Momente machen es besonders.

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