„Die Freiwillige Feuerwehr ist ein Querschnitt der Gesellschaft. Ein jeder ist ein wichtiges Zahnrad im Getriebe.“

In vielen Familien hat die Freiwillige Feuerwehr eine lange Tradition. Marcel Köppen, Brandinspektor und FF-Mitglied in der vierten Generation, spricht darüber, wie es ist, mit dem eigenen Vater durch’s Feuer zu gehen. Er resümiert 33 Jahre Feuerwehr vor und nach der Wende und berichtet, wie gemeinsames Retten die Kameradschaft steigert.

Name
Marcel Köppen

Alter
43

Dienstgrad
Hauptbrandmeister

Wache
FF Buch

Beruf / Ausbildung
Gebietsleiter eines großen Automobilkonzerns

Marcel, du hast uns erzählt, dass du Feuerwehrmann in der 4. Generation bist. War der Weg zum Feuerwehrmann durch deine Eltern bzw. Großeltern bereits früh klar oder hast du dich erst später dazu entschieden, zur Freiwilligen Feuerwehr zu gehen?

Ich wohne in Schwanebeck, direkt am Berliner Stadtrand. Hier hat mein Uropa 1933 die Freiwillige Feuerwehr gegründet und als erster Wehrleiter geführt. Sowohl mein Großvater, als auch mein Vater sind Feuerwehrmänner. Mir wurde das Thema quasi in die Wiege gelegt.

Mit 10 Jahren konnte ich 1986 endlich in die „AG Junge Brandschutzhelfer“ (die Jugendfeuerwehr in der ehem. DDR) eintreten und in den Irrungen der politischen Wende war es dann im Jahr 1991 soweit, dass ich im Alter von 15 Jahren meinen ersten echten Feuerwehralarm fuhr – heute unvorstellbar!

Mein Vater 1983 nach einem Einsatz. Hat bis heute nichts von seinem Engagement eingebüßt. Er wird im nächsten Jahr nach 45 Dienstjahren in die Ehrenabteilung wechseln. Cooler Typ, ein echter Kamerad!
Feuerwehr-Wettkampf 1987 als „Junger Brandschutzhelfer“. Die „DDR-typische“ Bekleidung Latzhose und Bauarbeiterhelm.

Ich qualifizierte mich bis hin zum Zugführer, war Jugendfeuerwehrwart, Ausbilder und stellvertretender Ortswehrführer in dieser Feuerwehr, bis ich im Jahr 2009 zur Berliner Feuerwehr wechselte. Mittlerweile bin ich in der FF Buch seit fünf Jahren Wehrleiter-Vertreter. Im Jahr 2018 absolvierte ich die Ausbildung zum Verbandsführer und wurde in die Funktion des Leiters der 2. Brandschutz-Bereitschaft berufen. Die regelmäßigen Alarme in der Feuerwehr Buch bestreite ich oftmals mit meinem Vater. Schon etwas ganz Besonderes, mit dem Vater buchstäblich durch’s Feuer zu gehen …

Dann ist ja die Wache in Schwanebeck ein reines Familienunternehmen! Erinnerst du dich noch an deinen ersten Einsatz? Mit 15 Jahren nimmt man einen echten Einsatz sicherlich noch einmal anders wahr, als mit 18, 19 oder 20 Jahren.

Es war ein Flächenbrand mit drei gestandenen Feuerwehrmännern, die mich mangels Einsatzkräften einfach mitnahmen. Etwa 500 qm Wiese brannten mit einem „Kriechfeuer“ und der Maschinist bekam kein Wasser aus dem neuen Fahrzeug, da er die Pumpe nicht bedienen konnte. Mein erstes Feuer habe ich also mit der Schippe „erschlagen“. Klingt unspektakulär, war dennoch sehr aufregend. Heute schaue ich vor allem mit Heiterkeit, aber auch mit ein wenig Erschrecken darauf zurück. Die technische Ausrüstung, die einfache Einsatzkleidung … alles sehr abenteuerlich im Vergleich zu heute.

„Mein erstes Feuer habe ich mit der Schippe ‚erschlagen‘. Klingt unspektakulär, war dennoch sehr aufregend.“

Und wie hast du die Wende bei der Jugendfeuerwehr generell wahrgenommen? Gab es große Unterschiede oder Umstellungen für dich?

An die Zeit der Wende habe ich sehr intensive Erinnerungen. Verschiedene Phasen wechselten sich ab: Euphorie und Freude, politische und gesellschaftliche Orientierungslosigkeit, gepaart mit riesigen Abenteuern für uns Jugendliche. Das „Feuerwehr-Geschäft“ gewann ganz andere Dynamik.

Nach der Wende rückten plötzlich neue Themen in den Fokus. Insbesondere die Thematik der schweren Verkehrsunfälle forderten die aktiven Kameraden. Für uns „Ältere“  in der nun Jugendfeuerwehr spannend zu verfolgen und in den Ausbildungen zu begleiten.

Als Jugendfeuerwehrwart bei einer Einsatzvorführung Anfang der 1990er Jahre.
Die Feuerwache Berlin-Buch im Pölnitzweg 3. Meine Feuerwehr-Heimat seit 2009.
„Was nützt das beste Fahrzeug und die modernste Technik, wenn die Mannschaft nur unzureichend gekleidet ist. Heute arbeiten wir in Hightech-Kleidung, die neben höchstem Schutz auch Tragekomfort bietet.“

Inhaltlich versuchten unsere Jugend-Ausbilder den Wechsel von der vorrangig feuerwehr-spezifischen Ausbildung, hin zu eher spielerischen Standards der Jugendfeuerwehr zu vollziehen. Am Ende war es wohl der Mix aus Neuem und Bewährtem, sowie die Aussicht, demnächst in die aktive Abteilung zu wechseln, der uns bei der Sache hielt.

Du hast gerade die technische Ausrüstung angesprochen. Wenn du die Zeit der Wende bis heute betrachtest: Was sind in deinen Augen die größten und wichtigsten technischen Fortschritte bei der Feuerwehr?

Neben all den technischen Fortschritten, die unsere Arbeit erleichtern und Einsatzerfolge schneller oder zielgerichteter sichern, ist es vor allem die stetige Weiterentwicklung der persönlichen Schutzausrüstung, die mir wichtig erscheint. Was nützt das beste Fahrzeug und die modernste Technik, wenn die Mannschaft nur unzureichend gekleidet ist. Heute arbeiten wir in Hightech-Kleidung, die neben höchstem Schutz auch Tragekomfort bietet.

Das stimmt. Die Mannschaft ist ja schließlich das Herzstück der Feuerwehr, oder? Wenn du dabei mal in die Zukunft schaust: Was könntest du dir vorstellen, wo die Reise der technischen Entwicklung noch hingehen könnte?

Offen gestanden, habe ich mir dazu keine Gedanken gemacht. Alternative Antriebe werden an geeigneter Stelle auch bei Fahrzeugen und Geräten der Feuerwehr Einzug halten – mit allem Für und Wider. Wichtig ist es meines Erachtens so effektiv wie möglich zu arbeiten, um zu retten, zu löschen, zu bergen und zu schützen. In einer hoch technisierten Welt wird im Feuerwesen der Kern der Arbeit auch zukünftig mit vollem Körpereinsatz erfolgen. Wünschen würde ich mir bei Beschaffung und Entwicklung stets „KISS“ zu beachten: „Keep It Simple, Stupid!” Die Ressource Personal wird sowohl Berufs- als auch Freiwillige Feuerwehr zunehmend beschäftigen. Mit wenig Personal schonend, effizient und effektiv arbeiten – das muss möglich sein.

Mit meinem Vater eingesetzt als Sicherheitstrupp bei einem Wohnhausbrand. Die Rückfallebene und Lebensversicherung für die im Objekt agierenden Feuerwehrleute, sollte es zu einem internen Notfall kommen. Sieht entspannt aus, ist es aber bei weitem nicht.
Vor dem „neuen“ Tanklöschfahrzeug mit der typischen DDR-Einsatzkleidung in der Wendezeit.

Du lässt dich also überraschen, was die Zukunft bringt und hoffst, dass die Technologie dabei nicht so kompliziert zu bedienen sein wird.

Es geht nicht nur um das leichtere Bedienen, sondern es muss auch unter Stress und Zeitdruck intuitiv und zielgerichtet bedienbar sein.

Kommen wir noch einmal zum Anfang zurück. Du hast gesagt, dass du gemeinsam mit deinem Vater im Einsatz bist. Ist die Zusammenarbeit mit Familienangehörigen nochmal etwas etwas anderes, als mit anderen Kameraden?

Mein Vater hat den Wechsel zur Berliner Feuerwehr 2009 gemeinsam mit mir vollzogen. Es ist schon etwas Besonderes, dass sich gar nicht näher beschreiben lässt. Bei Brandeinsätzen, wo es in das Innere eines Gebäudes geht, ist vielleicht die gegenseitige Sorge etwas größer. Vielmehr ist aber unser Verhältnis von gegenseitiger Anerkennung und Stolz geprägt.

„Diese Rettung trägt uns noch heute im positiven Sinne. Das sind genau diese Situationen, in denen du weißt, warum du bei der Feuerwehr bist.“

Treffen einen Schicksale, bei denen Familien betroffen sind, grundsätzlich mehr, da man im Kopf die Parallele zur eigenen Familie zieht? Ich spreche das an, weil du vor einiger Zeit bei einem Einsatz warst, bei dem du an der Rettung von drei Kindern beteiligt warst. Wie fühlt man sich danach? Freut man sich dann abends besonders auf die Familie?

Ich glaube landauf, landab wird jedes Feuerwehrmitglied antworten, dass Einsätze bei denen Kinder beteiligt oder betroffen sind, die psychisch belastendsten sind. Ich denke wenn man selbst Kinder hat, verstärkt sich dies. Umso schöner ist es dann, helfen und retten zu können. Dann hinterlässt ein noch so schwieriges Einsatzgeschehen am Ende einen gutes Gefühl. Bei dem besagten Einsatz konnte ich mit meinem Truppmann eine siebenköpfigen Familie aus der Brandwohnung holen. Auch er ist Familienvater von zwei ganz jungen Töchtern. Diese Rettung trägt uns noch heute im positiven Sinne. Das sind genau diese Situationen, in denen du weißt, warum du bei der Feuerwehr bist.

Wie würdest du den Zusammenhalt unter den Kameradinnen und Kameraden beschreiben?

Für meine Feuerwehr kann ich aus voller Überzeugung sagen, dass wir uns nicht nur mit Kamerad ansprechen, sondern Kameradschaft leben. Da ist dann Feuerwehr letztlich viel mehr als Einsätze zu fahren. Dann ist Feuerwehr vor allem auch außerhalb des „Dienstgeschehens“ füreinander einzustehen. Das ist schon ein ganz besonderer Bund. Die Freiwillige Feuerwehr ist in gewisser Weise ein soziales Sammelbecken und immer auch ein Querschnitt der Gesellschaft. Vom Handwerker bis zum Akademiker, von der ungebremsten Dynamik der Jugendfeuerwehr bis hin zu den wichtigen Erfahrungen der Alters- und Ehrenabteilung – ein jeder ist ein wichtiges Zahnrad im Getriebe.

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